Doch nicht nur für die Frauen, sondern für die ganze Menschheit gilt, das sich die Welt gestaltet und verändert durch den Blick und die Perspektive derer, die sie bewohnen."
Rossana Rossanda
Aus dem Projekt LoRa sind Frauen seit über einem Vierteljahrhundert als Sendungsmacherinnen, Gremienmitglieder und Mitarbeiterinnen nicht mehr wegzudenken. Die sozialen Bewegungen der 80er Jahre, zu denen auch eine starke Frauenbewegung gehörte, haben das Projekt LoRa mit auf den Weg gebracht. Bei LoRa konnten und können sich Frauen in einem unkommerziellen, basisdemokratischen Rahmen bewegen, der ihnen die nötige Infrastruktur bereitstellt, um herrschenden Hegemonien eigene Sichtweisen entgegen zu stellen.
Innerhalb der Frauenbewegung war die Repräsentation von Frauenthemen in Mainstreammedien ein wichtiges Thema. Frauen als aktiv handelnde Subjekte kamen kaum vor, Lesben, wenn überhaupt, nur aus voyeuristischem Journiblick. Viel zu oft richteten Zeitungen und Radios den Blick nach oben auf die "Politik der grossen Männer". Dabei übersahen sie die Lebensrealitäten von Frauen und ihre kleinen und grossen Widerstände im Alltagsleben gegen männliche Dominanz in fast allen gesellschaftlichen Bereichen.
Dem setzen die Frauen bei LoRa in der gemeinsamen Frauenredaktion unter dem programmatischen Titel "Die Hälfte des Äthers" Berichterstattung aus Frauensicht entgegen. Viele Beiträge fühlen sich dem Konzept feministischer Gegenöffentlichkeit verpflichtet. Sie macht die vielfältigen Beiträge von Frauen im öffentlichen Leben sichtbar und zeigt Frauen als aktiv Handelnde. Dabei hat feministische Berichterstattung dem Objektivitätsschein von Male- und Mainstreammedien stets den Wert feministischer Parteilichkeit und Kritik entgegengesetzt.
Durch die relative Zugangsoffenheit ermöglicht es Radio LoRa Frauen mit unterschiedlichsten Hintergründen, gemeinsam am Radioprojekt zu arbeiten und sich darüber kennen zu lernen und zu vernetzen. Viele Sendungen werden von Frauen mit Migrationserfahrung gestaltet. Frauen bringen in ihren Sprachen ihre verschiedenen Anliegen ein und tragen somit auch wesentlich zur Interkulturalität vom Gesamtprojekt LoRa bei.
Die Mitarbeit als Sendungsmacherin bei Radio LoRa fördert dabei massiv die Selbstorganisierung und Medienkompetenz von Frauen sowie die angemessene Repräsentation weiblicher Anliegen und Themen im Medium Radio.
Neben Sendungen, die sich dezidiert mit feministischen Themen beschäftigen, gibt es auch eine Reihe von Sendungen, die von Frauen gestaltet werden, die sich nicht ausdrücklich mit Frauenfragen auseinandersetzen. Diese Sendungen sind aber nicht weniger politisch wie die feministischen Sendungen. Das Politische an einem Gemeinschaftsradio wie dem LoRa liegt nicht nur in den explizit politischen Themen, sondern bereits darin, dass Menschen, deren Stimme sonst nicht gehört wird, das Wort ergreifen und sich einmischen. Die Forderung der autonomen Frauenbewegung 80er Jahren nach "Politik in der ersten Person" setzen somit alle Sendungsmacherinnen bei LoRa in ihren Programmen um.
In den letzten Jahren haben auch Positionen, die durch die „Gender“-Debatten eingefordert wurden, Eingang in die Programme bei LoRa gefunden. In vielen Sendungen hat sich der Blick für alles jenseits von heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit erweitert, zu feministischen Inhalten sind also auch queere Inhalte gekommen, die dazu einladen, queeres Leben in seiner Vielfältigkeit zu entdecken.
Generell legen die Sendungsmacherinnen bei Radio LoRa grossen Wert darauf, verschiedene Lebensweisen differenziert darzustellen und somit die positive Aufmerksamkeit im Umgang mit Differenzen zwischen so genannter Weiblichkeit und so genannter Männlichkeit in einem interkulturellen Kontext zu fördern. So wird dazu angeregt, Geschlechterzuschreibungen in Frage zu stellen.
Anliegen, die sonst un-erhört bleiben, gibt es für uns Frauen bei LoRa genug. Es liegt an uns allen, dazu beizutragen, dass Radio LoRa auch in den nächsten Jahren weiterhin ein Ort für laute, leise, wütende und softe Einmischung von Frauen bleibt!